Ki – Energie

In der abendländischen Denktradition gibt es (meines Wissens) kein vergleichbares Konzept zu der Vorstellung von Ki. Erschwert wird ein Verständnis von Ki durch die Vieldeutigkeit seiner Beschreibungen. Image22.gif

 Ein paar Beispiele:

  • Ki als Lebensenergie, Energie alles Lebendigen
  • Ki als energetische Kraft des Menschen (gleichsam als Antithese zur Muskelkraft)
  • Ki als Energie, die im Körper angereichert und in diesem fließen kann, und an verschiedenen Stellen lokalisiert werden kann (z.B. zu medizinischen Zwecken)
  • Ki als Energie, die man von außen (durch die Atmung) aufnehmen kann und die nach außen abgegeben werden kann
  • Ki als universelle Energie, als "Essenz des Universums" (Koichi Tohei)

Wenn wir uns die Bilder und Videosequenzen, in denen O Sensei Ki demonstriert, vergegenwärtigen, so sehen wir einen "alten Mann" der offensichtlich ohne sichtbarer Kraftanstrengung ruhig und entspannt sitzt oder steht, unbeeindruckt davon, daß einer oder mehrere junge Männer versuchen, ihn aus seiner Position zu schieben. Während O Sensei scheinbar mühelos seine Haltung und sein Gleichgewicht unverändert beibehält, endet die Bemühung der Angreifer damit, dass sie selbst ihr Gleichgewicht verlieren und fallen.

Ki und Haltung – Einstellung

Theoretisch erfassen und praktisch, erlebbar spühren, können wir Ki meiner Ansicht nach über die Haltung und Einstellung in der wir (psychisch und .physisch) im Gleichgewicht sind (Aikido – Prinzipien).

"Im Ki sein" würde für die Einstellung bedeuten, daß unser Denken, Fühlen und Wollen im Einklang sind. Anders ausgedrückt, daß alle drei gleich wichtig sind, so daß weder unsere Gedanken, noch unsere Gefühle oder unsere Absicht, unser Wollen der Ausführung unserer Handlung "im Wege stehen". (Versuchen sie einmal einen Schritt zu machen, den sie genau denken, oder vor dem sie "riesen" Angst haben oder den sie unbedingt ohne zu Wackeln hinkriegen wollen – und dann machen sie einfach einen Schritt). RainerDirnberger_SELE__Page_196_Image_0009.jpg
RainerDirnberger_SELE__Page_200_Image_0006.jpg Haltung können wir als entspannte Spannung, natürliche Lebendigkeit beschreiben, im Unterschied zur Anspannung - Verspannung oder als Gegenpol zu Schlaffheit- Laxheit. In dieser entspannten Spannung können wir Kraft, die auf uns einwirkt, entweder durch unseren Körper und unser Skelett in den Boden, die Erde, "ableiten", oder wir können ihr durch eine Bewegung ausweichen. Dies kann durch verschiedene Übungen erfahren und trainiert werden. (Ob man damit dem Ki im asiatischen Sinne gerecht wird, kann ich nicht beurteilen und darf bezweifelt werden).
Im Aikido trainieren wir diese "Haltung" mit Atem- und Vorbereitungsübungen alleine und in den Partnerübungen mit anderen. Das ausschließliche alleine Üben hätte den Nachteil, dass das Korrektiv durch das Gegenüber fehlen würde, wie es in den Partnerübungen beim Trainieren der Techniken dann der Fall ist. Anders ausgedrückt beim alleine Üben haben wir keine Information, ob unser Erleben (von Ki) einer Realitätsprüfung durch den Anderen standhält, oder ob es einzig Produkt unserer Einbildung, unserer Vorstellungskraft ist. RainerDirnberger_SELE__Page_194_Image_0008.jpg

Mag. Rainer Dirnberger