Selbsterfahrung und Aikido

Asiatische Kampfkünste nehmen für sich in Anspruch, neben einem gesundheitsfördernden Aspekt, auch Charakter und Persönlichkeit positiv zu beeinflussen. Dennoch sind sie nach westlichem Verständnis nicht als Selbsterfahrungsmodell konzipiert und wollen auch nicht als solches verstanden werden. Veränderung und Wachstum im Sinne der Kampfkünste werden durch jahrelanges Training erlangt. Ethisches und charakterlich positives Verhalten werden durch das Beispiel des Lehrers und gelegentliche verbale und schriftliche Anleitungen (z.B. durch Gleichnisse) vermittelt. (Historischer Hintergrund ist ein Meister - Schüler Verhältnis, bei dem der Schüler im Hause des Lehrers mit diesem und dessen Familie lebte.) wrf_8028735_phasen.jpg
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Eine bewusste Verbalisierung emotionaler, kognitiver und leiberlebter Inhalte, wie sie die therapeutischen Schulen zu Behandlung, Wachstum und Selbsterfahrung entwickelt haben, kennt das Training der Kampfkünste nicht. Ein Verbalisieren der Erlebnisse im Training, sprachlicher Austausch oder Reflexion sind im Konzept der Kampfkünste nicht enthalten. (Wenn man die Diskussionen après beim (verdienten) Bier nicht als konzeptionell berücksichtigt auffasst.)

Bei Selbsterfahrung und Aikido verlassen wir das Aikido-Trainings Setting. Ich verstehe unter Selbsterfahrung und Aikido eine selbständige (Selbsterfahrungs -) Methode, (die auch befruchtende Aspekte für das Aikido Training wie für Selbsterfahrung haben kann).

Die theoretische Basisüberlegung dabei ist folgende: Wenn wir Kampf als eine Form des Umganges mit Konflikten verstehen, dann ist Aikido eine Methode, die auf Basis philosophischer, theoretischer und praktischer Inhalte zur Konfliktverarbeitung auf einer leiblichen Erlebnisebene führt. Auf einer Metaebene können wir Aikido als leiborientiertes Problemlöseparadigma verstehen, daß eine Lösungsstrategie für eine Kampf - Konflikt -Situation anbietet. Dabei ist es einem humanistischem Menschenbild vergleichbaren Ansatz verpflichtet (AiAiki). Daher können wir das aus der Praxis des Kampfes entwickelte Wissen der Kampfkunst um Bedingungen (Aikido-Prinzipien) und Wege (Aikido-Technikablauf) der Konfliktbearbeitung und Problemlösung für Selbsterfahrung und Psychotherapie nützen. Ebenso denke ich, dass umgekehrt gewisse Methoden und Erkenntnisse der Selbsterfahrung das Aikido Training bereichern können.

Das Konzept Selbsterfahrung und Aikido habe ich (aufbauend auf die Arbeiten der Schweizerin Susanna Roth) erstmals am 1.Weltkongreß für Psychotherapie in Wien vorgestellt.

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a1.jpg Im Wesen geht es dabei darum, mit Wissen und auf Basis der Aikido - Prinzipien und des Aikido Technikablaufes (jetzt weiterentwickelt zum Beziehungsorientierten Problemlösemodell) reale Probleme in einer Angriffssituation in der Selbsterfahrungsgruppe nachzustellen. Das heißt einen Angriff, eine Haltung o.ä. zu finden, die ein vergleichbares Fühlen, Denken und Erleben bewirkt, wie sie im realen Problem der Fall sind. Dann wird anhand der Aikido Prinzipien und Technik eine physisch (leib) orientierte "Aikido – Lösung" erarbeitet. Abschließend wird diese Aikido-Lösung für das reale Problem in konkrete Handlungsalternativen übersetzt.

 

Darüberhinaus hat sich die Arbeit mit den Aikido-Prinzipien und/oder dem Beziehungsorientierten - Problemlösemodell als eigenständige Konzepte in der Selbsterfahrung bewährt (im Sinne Kreativer Methoden).

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Mag. Rainer Dirnberger